PRESSE NRZ / WAZ 2011

Besserer Shakespeare

Shakespeare für den Hausgebrauch? Da war schon der Kabarettist Bernhard Hoecker, als er einen umschulenden Hamlet-Schauspieler im neuen Metzgerberuf die bedeutende Frage „Schwein oder nicht Schwein?“ stellen ließ. Doch dabei blieb es bei ihm. Der Rheinhauser Theaterregisseur Klaus Thiel-Klenner geht einen Schritt weiter und bietet mit seiner Shakespeare-Truppe ein ganzes Fernsehformat an - „Shakespeare-Reloaded“: Da gibt es die „MacBeth“-Hexen, die im „Magie“-Kochstudio vor einem unheimlichen Hexenkessel sitzend in bester Max Inzinger-Manier  nicht nur die Fleischpastete a la „Surprise“, sondern auch einen beruhigenden Bachblütentee zubereiten.

Bei „Britta 5 vor zwölf“ agieren als Talkshowgäste Shakespeares Richard III., der exzellent gespielt von Michael Kaufmann (als Heinz Gründel) halb herumprollend und ständig herumhumpelnd von seinen Frauengeschichten erzählt,  und Hamlet und Ophelia, die sich wie wahnsinnig vor laufender Kamera beschimpfen und die Sinnlosigkeit ihrer Liebe erkennen – gut, dass das Ganze nicht in Handgreiflichkeiten ausartet! Alle Handlungsstränge werden geschickt verbunden durch Boulevard-Reporterin Christiane Kerner Maischmann!, die schon aufgrund ihres Doppelnamens nichts anderes tun kann, als die „Breaking News“ von den Königshöfen des großen englischen Dichters zu berichten. Hier gibt es dann ein bisschen Heinrich V. – VIII., natürlich auch Hamlet, ein bisschen Julius Caesar, und einen meuchelmordenden Titus Andronicus,  der ebenfalls super verkörpert  wird von Heinz Gründel Michael Kaufmann.

Das ganze Format wird aufgepeppt durch die Hot-Button-Moderatorin, ganz stark die Nachwuchsschauspielerin Kirsten Rusche, die auch nach der zehnten Schalte noch keinen Anruf für den Scrabble-Wort-Salat “– A M L E T, ein Prinz aus Dänemark“, erhält, obwohl sie die Anzahl der Geldpakete und die Leitungen bereits aufgestockt hat. Vielleicht hätte sie noch ins Publikum gröhlen sollen: „Gebt mir ein H!“ – oder Teile ihrer Kleidung ablegen...?

Dazwischen schneit immer wieder die Mega-Nänni herein, um für Ordnung, leider nicht für Recht, zu sorgen, und in bestimmten Abschnitten gibt es Tagesschau-Sequenzen aus dem „Allerersten“. Eigentlich beweist die Theatertruppe, dass Shakespeare ein Format hat, wie man es jeden Tag auf den Boulevard-Fernsehprogramm-Sendern sehen kann, doch die TV-Bosse, denen es angeboten wird, wollen es einfach nicht bringen. Grund: Shakespeare hat zu wenig Happy-End.

Danach gibt es noch den kompletten Hamlet im Zeitraffer und Regisseur und Akteur Klaus Thiel-Klenner kann zeigen, wer er wirklich ist. Oder sind wir nicht alle ein bisschen Hamlet?? Komisch wie das Theaterschauspiel, das den König des Mordes am königlichen Hofe überführen soll, von Handpuppen frei nach der Augsburger Puppenkiste dargestellt wird. Eine starke witzige, sehr pointierte, sarkastische Darstellung eines Problems unseres Zeitgeist mit guten Hobby-Schauspielern  - doch Shakespeare macht selbst in Zeiten von „Britt 5 vor Zwölf“ noch eine gute Figur - und eine Hommage an einen großen Dichter, hier konnte sich jeder der rund 70 Zuschauer soviel Shakespeare herausnehmen, wie er gerade für den Hausgebrauch benötigt. 

Stephan Sadowski